Label Lehle, Katalog Nr. LL 110001
Vertrieb: edition jastram, ISBN/EAN 3-935662-05-X
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„...zwischen Stockhausens ´Gesang der Jünglinge´, Luigi Nonos
Auschwitzchören und der psychedelischen Hochphase von Pink Floyd.“
(Südkurier Konstanz)
Die außergewöhnliche Formation kombiniert in ihren Klangkonferenzen
besinnliche, beinahe esoterisch wirkende Phrasen mit aufregenden
expressionistischen Experimenten. Dabei werden literarische Texte
einbezogen, deren Klang- und Bildqualitäten mit den Sounds der
Instrumente korrespondieren. Wie die Musiker einen eigenartigen Spagat
zwischen verschiedensten musikalischen Ausdrucksformen schaffen, so ist
auch der Bandname beschaffen: Er vereinigt Wörter aus drei
unterschiedlichen Sprachen, die gemeinsam ein Konzept umreißen.
Das Programm „Draußen seh' ich grüne Hügel“ beschäftigt sich mit einem sehr sperrigen Thema der deutschen Vergangenheit.
Es gab in den KZs Gedichte, und entgegen aller anderen Vermutungen gibt
es auch nach Auschwitz noch Lyrik über das Unaussprechliche. Die
„Gruppe Sound Espace“ verknüpft solche Texte aus KZs und über KZs mit
einer Musik, die sich von allem Gewohnten weit entfernt und dem
Unglaublichen neue Töne und Sounds an die Seite stellt. Wort und Klang
verweben sich dabei zu einem Geflecht aus Musik, Sprache und Geräusch
und ergeben so eine Art Hörstück, das sich im freischwebenden Feld
zwischen Konzert und Hörspiel befindet, genauso flirrt die Musik
zwischen freier Improvisation, Toncollage und zeitgenössischer ernster
Musik.
Sprecher Thomas Hohnerleins und Bassist / Elektroniker Reinhard Köhler
kommen aus Ulm, man kennt sie hier aus verschiedenen
musikalisch-literarischen Projekten (Fleck Infos, Kangaroo Infos),
während der bekannteste Mann des Trios in Michigan/USA geboren wurde.
Raymond Kaczynski ist Gründungsmitglied des Berliner
„Zeitkratzer“-Ensembles für Neue Musik. In der internationalen
Jazzszene konnte er sich als Sideman bekannter Musiker wie Rajesh
Mehta, Randy Brecker, Milt Hinton, David Murray, Julius Hemphill, Don
Byron, Ernie Watts und Elliott Sharp einen Namen machen.
Neben dem Programm "Draußen seh´ ich grüne Hügel" gibt es auch noch
eines mit dem Titel "Was also ist denn Zeit". (Mehr Infos).
Außerdem kann die Gruppe Sound Espace ihre Auftritte auch als
integrierten Bestandteil einer Tanzperformance mit Tänzerinnen und
Tänzern anbieten..
Wahrheiten, jenseits von Geschichte und Geschichten
Historiker, und ich bin selbst einer, werden manchmal als Wort- und
Fakten-Ingenieure bezeichnet. Das heißt, sie glauben daran und sie
machen andere glauben, sie könnten mit bestimmten Mitteln fixieren,
„was wirklich gewesen ist“ - überprüfbar und eindeutig und - womöglich
das auch noch - zeitlos gültig.
Auch wenn sich dieser Glaube schnell als Illusion entlarvt, so muss ein
Anspruch der Geschichtsschreibung aufrechterhalten bleiben: dass von
und durch und mit Menschen Gemachtes, Geschehenes, also Geschichte
prinzipiell bennennbar, beschreibbar, bewahrbar ist. Dies ist ein Stück
Moderne, ist Aufklärung des Menschen über sich selbst und es ist ein
Stück Orientierung in der notorisch unübersichtlichen Welt. Und
sprechen wir von der historischen Periode des Nationalsozialismus, so
ist zu sagen: Geschichtsschreibung kann Täter und Taten benennen, die
großen und kleinen bis vor die Haustür unserer Heimat. Vor allem: sie
kann den Opfern, den vermeintlich Geschichtslosen ihre Geschichte, ihr
Schicksal, ihr Gesicht zurückgeben.
Und dennoch, der große Wahrheitsanspruch der Historiographie hält der
Überprüfung nicht stand. Denn einerseits ist die Erkenntnismöglichkeit
des Einzelnen immer begrenzt; und andererseits ebnet jede
Geschichtsschreibung das Einzelne, das Eigensinnige, das Sonderbare und
Unsagbare, Gefühltes und Geahntes ein oder spart es aus.
Mehr als geschriebene Geschichte vermögen da schon „Geschichten“, die
sich immer um einzelne Menschen und Situationen ranken. So denke ich,
dass jeder Erlebensbericht über ein Konzentrationslager
Wahrheitsanteile hat, die ein Geschichtswerk nie erreicht.
Wieder andere Wahrheitsanteile als Geschichte und Geschichten haben
alle Formen der Kunst. Sie sind, wenn sie gut sind, Ausdruck von
Gefühlen, Ahnungen oft jenseits des Beschreib- und Sagbaren.
In diesem Sinn sind die lyrischen Texte und die Musik dieser CD, gerade
in ihrer ungewohnt-sperrigen Instrumentierung, in der Lage, neue,
andere Dimensionen von Realität und damit der Wahrnehmung und des
Empfindens des Zuhörers anzusprechen. Das zeigte sich schon bei der
Uraufführung in der Ulmer KZ-Gedenkstätte: das Unsagbare bekam ein
Medium. Erinnern wurde zum „Weg nach innen“ - und zwar heute, hier und
jetzt.
Silvester Lechner, Leiter der KZ-Gedenkstätte in Ulm
Mehr Infos zur Gedenkstätte
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